So schlimm ist das doch gar nicht

Während die Eine noch fix ihr iPhone checkt,
von der Vorlesung mit dem Uber zur nächsten Party hetzt,
wo es dann ordentlich ballert, schneit und nach Kräutern riecht…

Da ist der Andere seit 10 Stunden auf den Beinen,
sehnt sich nach
einem warmen Bad,
einem weichen Bett,
einem heißem Kaffee,
einem köstlichen Brötchen.
Früher: da hat es Lachsbrötchen gegeben.
Nun sitzt er im U-Bahn-Tunnel, schaut flehend, spricht an, doch wird
nicht gesehen.
Der Unsichtbare, der früher zu oft auf Partys ging, wo es zu viel
schneite, zu sehr ballerte und  Worte wie Stopp, Nein, Schluss nicht
existierten. 
Aber: So schnell geht das doch gar nicht.

Während der Eine sich seit Jahren abrackert,
Überstunden, Stress, Deadlines,
kurz vorm Burnout…

Da sitzt der Andere friedlich lächelnd in seinem Fischerboot.
Die Sonne geht unter, die Möwen kreischen.
Es wird ein ruhiger Abend;
herrlich
wie immer.
Aber: So einfach ist das doch gar nicht.

Während der Eine geschmückt mit falschem Haar und künstlicher Bräune
gedankenlose Tweets in die Welt hinausbrüllt,
gesegnet mit einer Blödheit und Idiotie, die uns Andere sprachlos macht,
mit einer Macht ausgestattet, die die ganze Welt bedroht:
ein Sexist, ein Narzisst, ein Widerling…

Da kämpfen die Anderen für Gerechtigkeit,
gehen auf die Straßen, riskieren, verzichten,
wagen, halten aus, halten fest
an das Vertrauen
für das Gute.
An die Hoffnung.
Darauf, das es nur noch besser werden kann.
Aber: So schlimm ist das doch gar nicht.

Während die einen rauschende Orgien feiern
Alkohol, Fast Food, Spielzeug, Kosmetik,
Konsum, Kommerz, Konsum

Da verrecken die Anderen an den Abfällen.
Gewaltige Schönheiten schweben im Ozean,
ersticken an deiner Plastiktüte.
Schildkröten und Meeresvögel, Fische und Säuger
Tragen deine Erzeugnisse: arglos gekauft und weggehauen
In ihren Organismen.
Da ist es nur fair, dass das Plastik wieder in deinem Bauch landet,
beim nächsten Sushi-Gelage.
Aber: So schlimm ist das doch gar nicht.

Während die Eine nicht mehr zählen kann
wie oft sie von Männern belästigt wurde,
unangenehme Sprüche, Gegrabsche auf Partys,
Demütigungen, Unterdrückungen,
viel zu viele „‚ungen“…

Da winkt der Andere verächtlich,
Ja, schon lange unbeeindruckt, ungerührt, gelangweilt ab
Diese Feministen, schnauft er.
Untervögelt, hässlich, alte Weiber, sollen sich nicht so anstellen.
So schlimm ist das doch alles gar nicht.

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