In den Darmschlingen der Liebe

 

Nach einer fast wahren Begebenheit.

Verliebt waren sie beide. Ohja und wie.
Traumhafte Urlaube, himmlische Kuscheltage, gemeinsam versoffene Nächte, leidenschaftliche Momente und stundenlange Gespräche in seichtem Gewässer und in der Tiefsee taten das Übrige.

Eines Tages kam es aus dem tiefsten Inneren — nicht wie man denken würde, aus der linken Brusthälfte —, sondern aus dem Bauch. Ja, es war gar der Magen. Dieses Gefühl, das arbeitete sich nach oben und wurde zu etwas unmöglich Beschreibbarem. Eine Art Klumpen, ein Brocken, der dir im Halse steckt, beinahe als müsstest du gleich kotzen. Aber ein angenehmes, selbstsicheres Kotzen wäre es, wenn du es denn zuließest. Aber das geht nicht. Das geht wirklich nicht.
Das Ego, der Stolz, sie brüllen und kämpfen und schaffen den Brocken wieder nach unten an seinen Platz.

Und so folgen auf schöne Momente, auf zwei verliebte Beide, noch mehr schöne Momente und die Verliebtheit wächst, verändert sich, erhält die Beförderung, die Transformation.
Der Klumpen? Der wächst auch. Er wird stärker. Mittlerweile gelingt es ihm bis hinauf auf die Zunge zu rollen. Zwischen den Zähnen sitzt er schon und hat es fast geschafft, gleich ist er draußen.
Aber das geht nicht. Das geht wirklich nicht. Das Ego, der Stolz, sie brüllen und kämpfen und schaffen den Brocken wieder nach unten an seinen Platz.

So geht das weiter und weiter und mittlerweile hat der Brocken, dieses nicht beschreibbare Gefühl, Übergewicht. Er muss sich schon nicht mehr nach oben kämpfen, so prall ist er geworden. Er drückt seiner Wirtin nun schon von unten hoch hinauf in den Mund, zwischen die Zähne.

Und das Herz seufzt verzückt, doch das Ego, der Stolz, sie brüllen und kämpfen und wehren sich.

Am Ende, da kann es nur so kommen. Der Brocken besiegt sie alle. Sie müssen hinaus, diese drei Worte. Sie arbeiten sich hoch, ohne viel Mühe. Noch immer schreit das Ego und der Stolz der brüllt panisch, entsetzt. Aber das Herz, das brüllt noch viel lauter. Es jubiliert, es trällert, es jodelt, feuert an, ermuntert, hüpft auf und ab, vor und zur Seite.

Aber das Ego, das Ego, diese riesengroße Kraft, das stellt sich dagegen. Durch den Mund kann der Brocken nicht entkommen. Es ist einfach zu stark dieses Ego.  Der Brocken jedoch ist gewaltig. Er kann nicht mehr. Er muss hinaus und so platzt er und mit ihm die Wirtin und mit ihm das Herz und das Hirn, der Magen und Ego und Stolz schweigen für immer.

Eine Schweinerei, ein Gestank, Blut, Gedärme — überall. Aber mittendrin der Brocken, dieses Gefühl, in einer anderen Erscheinung. Dort liegen sie, die Darmschlingen, sorgfältig platziert, leicht zu erkennen. Sie scheinen den Leser gar anzuschreien, wenn man die Worte liest: Ich liebe dich.

Was ein hübscher Brocken das war. Und welche Kraft er hatte.

Sanft und leise kullern die Tränen nun auf seiner Wange hinunter. Sie tropfen auf die verliebten Schlingen. “Ich liebe dich doch auch”, flüstert er und muss von nun an trauern.