Und dann

Und dann wachst du auf, mit dicken Augen und Linien im Gesicht und grau-gestreiften Haaren. Der Rest sitzt noch an Ort und Stelle, aber den Snickers von gestern, den siehst du noch übermorgen am Speckgürtel. Eigentlich nicht so schlimm, würden dir nur nicht ständig durchtrainierte Bodies begegnen – im Film, auf dem Handy, im Club. 

Dabei ist doch jetzt Body Positivity angesagt. Du sollst deinen Körper so lieben wie er ist, sagen sie und zeigen nur schöne, dünne, trainierte Menschen, deren Body wirklich sehr positiv schön ist. Nur gar nicht so wie deiner.

Und dann gehst du an den Schreibtisch und schaffst für deinen Lohn, denn was wärst du schon ohne einen Job? Du ackerst für deinen Chef und seinen Pool im Garten. Du ackerst für Zahlen und KPIs, die dich einen Pfurz interessieren. Je mehr du dich dafür aufopferst, desto mehr steigt dein Wert. Mach dich nützlich. Die Märkte sind die Religion. Amen. 

Und dann schießt du dich ab. Denn wer kann das Leben durchgängig nüchtern ertragen? Wenn du es nicht tust, fühlst du dich überlegen. Trinken, Rausch? Das brauchst du nicht. 
Und dabei merkst du nicht, dass dir ein bisschen Ekstase gut stehen würde.

Und dann haben wir Sex und werben umeinander wie die Tiere. Romantisch ist das nicht. Wir wollen nur, dass jemand sein Ding in unser Ding hineinsticht, ein paar Küsse ein paar Zärtlichkeiten, wenigstens diese Nacht nicht allein sein. 

Kommst du wieder? Gibst du mir das Gefühl, dass du mich magst? Ich mag dich nicht unbedingt. Ich will nur, dass du verrückt nach mir bist. Damit mein Ego zufrieden ist. Mein Ego ist ein launischer Tiger. Nicht genug gefüttert, frisst es mich auf und spuckt die Knochen wieder aus. 

Und dann fühlen wir uns wild und verrucht, und wir küssen und lecken und lutschen aneinander herum und fühlen uns gut, denn wer Sex hat, muss sexy sein. Wer besonders viel Sex hat, ist besonders viel sexy. Oder?

Und wenn wir nicht Single sind, dann schauen wir uns den Menschen an unserer Seite von der Seite an. Bist du noch so süß, heiß, lieb, vorzeigbar wie damals? Gibt es andere, die süßer, heißer, lieber, vorzeigbarer sind? Gibst du mir alles, was ich will, wann ich es will?  

Und wenn uns dieser Mensch schon alles gegeben hat, was wir dachten zu brauchen = Ring, Haus, Kinder, Hund, dann schauen wir uns den Menschen an unserer Seite erst recht von der Seite an und sehen, dass er*sie gar nicht mehr so süß, heiß, lieb, vorzeigbar ist wie damals. Und Sex? Pah. Du bist von dem ewig gleichen Körper an deiner Seite so gelangweilt. Zugenommen hat dieser Körper auch.

Also träumst du dich in Pornos und bist überzeugt, wie sehr du es den jungen Dingern mit den saftigen Titten geben würdest oder du träumst dich in deinen Roman oder Film, der ja so romantisch ist.

Und dann sitzen und seufzen da alle, die Singles, die Vergebenen, die Verheirateten, denn sie wären gern Teil des dirty Porn und der Romanze. 

Und dann denkst du über eine Zahnzusatzversicherung nach. Denn deine Zähne zerfallen mit der Zeit wie deine Träume und dein Idealismus.

Und dann verfliegt auch die Energie für diese noch aufzusprechen.

Und dann?